Irgendwann, nicht unmittelbar. Das ist schon mal ein Unterschied zur Hierarchie, ein simpler physikalischer Gedanke: vertikal geht schneller als horizontal – zumindest von oben nach unten. Hierarchie ist nämlich Helikopter-Prinzip: einer macht Krach und alle rotieren. Netzwerke funktionieren anders. Da muss man sich immer wieder mal ins Gespräch bringen, das analoge Händchen reichen und die digitale Pfote heben. Netzwerken machen alle. Manche sogar dermaßen post-privat, das man das Gefühl hat, mit demjenigen Menschen drei Jahre in einer WG zusammen gelebt zu haben, obwohl man gerade mal seit ein paar Wochen digital befreundet ist. Netzwerke sind tendenziell Karma getrieben, denn ich erwarte nicht, dass mir jemand SOFORT etwas zurück gibt, wenn ich ihm mal helfe, einen Job zu finden oder ihn mit anderen interessanten Personen vernetze. Sofortbelohnung gibt es nicht. Aber es gibt die zum Vertrauen gewachsene Hoffnung, dass sich die Beziehungsarbeit irgendwann mal auszahlt.
Aber was ich eigentlich sagen will: Netzwerken ist harte Arbeit. Nicht nur, weil man enorm viel plaudert, sich vielleicht sogar mental verausgabt, zunächst einmal mehr Kosten hat als Nutzen. Netzwerken erfordert Selbstreflektion: Was habe ich eigentlich zu erzählen? Und warum sollte das andere Menschen interessieren? Mit Selbstreflektion ist es wie mit Allgemeinbildung: Sie schadet oft nur dem, der sie nicht hat.
In einem Artikel über „Networking“ habe ich nicht nur 45 (!) „Tipps für besseres Netzwerken“ gefunden, sondern auch folgenden Satz: „Karriereförderlich sind diese Beziehungsgeflechte aber nur, wenn die Verbandelten nicht aus demselben Umfeld, Beruf oder Interessenbereich stammen. Sonst erzeugen sie nur Echos, wie Brian Uzzi, Professor an der Kellogg School of Management in seiner Netzwerk-Studie beschrieb. Erst durch die unterschiedlichen Sichtweisen und Sozialgruppen erweitert sich der eigene Wirkungsradius.“ Der Gedanke ist ja wahrlich nicht neu. Der Netzwerktheoretiker Mark Granovetter hat das als „Stärke schwacher Verbindungen“ bezeichnet. Bekannte statt Freunde. Gleich und gleich gesellt sich zwar gern, aber bringt nicht wirklich etwas – außer, dass man über die restliche Netzwerk-Elite herrlich ablästern kann. Und genau deswegen kann das sogenannte Netzwerken auch ziemlich anstrengend sein. Statt Schmoren im eigenen Saft immer mal wieder aus dem Topf springen und neues Gemüse kennen lernen. Gerade für Leute, die sich nur von Fleisch ernähren oder eine Allergie gegen eingelegte Gurken oder rote Beete haben, kann so etwas eine ziemliche Herausforderung sein.
Ich will das Thema jetzt auch nicht überstrapazieren. Nur so viel: Man kann das ganze Gedöns mit „Netzwerken“ und den „richtigen Kontakten“ auch überstrapazieren. Man kann auch hier 45 Tipps ernst nehmen und sich methodisch daran abarbeiten, um den größtmöglichen Kontaktzugewinn (und dadurch womöglich finanzielle Erfolge) zu feiern. Man kann aber auch einfach nur versuchen nett zu sein und nicht allzu verschlossen. Spannende Menschen kennen zu lernen, ist in jedem Fall ein persönlicher Gewinn, und das meine ich jetzt erstmal im Sinne von „sozialem Kapital“ und nicht mit dem Hintergedanken an „ökonomisches Kapital“.
So, genug geplaudert. Der Garten wartet. Jetzt folge ich Tipp Nummer 10 („Ziehen Sie etwas Bequemes an“), halte ich mich so gar nicht an Tipp Nummer 17 („Gehen Sie behutsam vor“) und werde dem scheiß Bambus mal so richtig zeigen, wer hier Chef ist. Und falls das alles nicht klappt, werde ich Tipp Nummer 31 anwenden („Ziehen Sie sich elegant zurück“). In diesem Sinne, geheiligt sind die Kontakte.