Super Phase

Die Welt wirkt überaus stabil,
in Phasen voller Hochgefühl.
Alles ist gut, die Sonne scheint,
nichts und niemand ist dein Feind.

Jedoch ist dies nicht immer so,
es gibt auch Phasen „Griff ins Klo“.
Die sind scheiße unentspannt
und oft strahlkotzdominant.

Drum freu dich über Euphorie
und gute Laune wie noch nie.
Die schlechte steht schon irgendwo,
mit klarem Ziel: dein Status Quo.

Fortsetzung

Eines Tages wird dir ein Stein vom Herzen gefallen sein. Bis dahin: Umstände.

Du sitzt in deiner Bude, und ohne zu klopfen stürmt das neue Jahr mit einem breitmauligen „Platz da!“ ins Zimmer, knallt sich aufs Sofa und erwartet vollen Service. „Hab ein paar Kumpels mitgebracht“, grunzt das neue Jahr, und prompt poltern diverse Gestalten in den Raum.

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Vermutung

„Was für ein Jahr!“ sagte Böttcher, und alle nickten. Sie nickten, weil diese Aussage maximal konsensfähig, ja geradezu banal war. Böttcher hatte kein Adjektiv verwendet, mit dem er die Qualität dieses Jahres hätte zum Ausdruck bringen können. Ein Adjektiv, das seiner Aussage irgendeine Richtung gegeben hätte. Anstrengendes Jahr, hätte er sagen können, wunderbares Jahr, chaotisches Jahr. Was für ein miserables Jahr, ein erfolgreiches Jahr, ein ermüdendes. Er hätte das Jahr als Sowohlalsauchjahr deklarieren können, freudvoll und tragisch zugleich. Aus all diesen Adjektiven hätte Böttcher sich bedienen können. Hat er aber nicht.

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Schnell sein

„Die Uhr tickt“, sagt Wacker und hebt eine Augenbraue. Die rechte, er kann es nur mit der rechten. Selbst wenn er versucht, die linke Braue zu heben, bewegt sich nur die rechte. Aber immerhin. Nur ein Viertel aller Menschen kann willentlich die linke oder rechte Braue unabhängig von der anderen hochziehen. Wacker ist einer von ihnen.

Eine handwarme Stille steht im Raum. Der Staub auf dem Schweigen hängt lose herab.

„Und was machen wir jetzt?“, frage ich. Die Zeit weitet sich ins Unbehagen und erschöpft sich in den nächsten Zustand.

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Hustenreiz

Die Krisenvielfalt hat Hauptsaison,
für die Seele fehlt ein Rettungsfonds.
Verängstigt liegt sie im Umzugskarton.
How to feel good when everything’s wrong?
Noch jemand ein Apokalyptusbonbon?

Das Weltgeschehen kennt kein Pardon,
das steht sogar im Feuilleton.
Die Empathie verhärtet wie Stahlbeton.
How to get along when you do not belong?
Vielleicht jetzt ein Apokalyptusbonbon?

Die Hoffnung zerplatzt wie ein Luftballon,
das Zittern ist mein neuer Kompagnon.
Kein Umtausch ohne Kassenbon.
How to stay here when you’re already gone?
Da hilft auch kein Apokalyptusbonbon.

Setz dich zu mir auf die Chaiselongue,
und wir wettern gegen die Staatsräson.
Hör doch, sie spielen unseren Song.
How to move on when you’re not that strong?
Ich will kein scheiß Apokalyptusbonbon!

Verschwinden

Mit der Zahnbürste im Mund stand Pohlmann im Hangar seiner Gefühle und stellte das Leben infrage, das ihn die letzten Jahre führte. Die Luft war feucht und voller Seufzer.

„Hörst du das Gewirr der Richtungen?“, fragte eine kleine Unruhe, die es sich auf dem Fensterbrett gemütlich gemacht hatte.

Joachim-Alexander Pohlmann lauschte konzentriert in die Leere, schüttelte den Kopf. „Ich höre nur das Klirren der Möglichkeiten, die am Alltäglichen zerschellen.“

„Nein, nein“, rief die Unruhe, „du irrst dich nicht gründlich genug! Hör genauer hin.“

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Ein Untergang

An manchen Tagen, die längst zu anderen Tagen geworden sind,
bin ich schon wieder noch nicht so weit.
Fühle mich ganz weich an den Rändern,
wenn du von der Wirklichkeit berichtest
und davon, wie alles versinkt,
möchte ich mein Köfferchen packen mit Rückenwind,
die Gegenwart mit Nein einreiben,
und uns in die Zukunft entfurchen.
Aber die Pläne für mehr Bewegungsfreiheit
haben enge Spielräume.

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Ode an den Tagesablauf

Es sitzt auf einem großen Thron:
die Tagesmotivation.
Sie redet unentwegt nur Stuss,
dass man den Tag doch nutzen muss.

Sie beugt sich flott zu mir herunter:
„Nun komm schon, Junge, werd mal munter,
spring auf und schrei mit Energie
ein lautes ‚Fick dich, Lethargie!‘“

Mir wird ganz schlecht, ich werd ganz bleich
und hüpfe dieser Hippe gleich
mit Tageskraft in ihr Gesicht,
denn so nen Spruch, den sagt man nicht.

Gerad saß sie noch, nun liegt sie schon:
die Tagesmotivation.
Krümmt sich am Boden, jammert, ach.
Ich aber fühl mich richtig wach.

Niederschläge

Aufstehen und sich fühlen, als müsse man erst mal eine Nacht drüber schlafen.

„Was ist das denn alles?“, fragt die Situation und geht mir nahe.
„Tja“, entgegne ich unverblümt. Man weiß eben selbst nicht, sondern möchte nur gerne irgendwie in Ordnung sein, irgendwie der Nordpolarisierung der Befindlichkeit entgegenwirken. Etwas Struktur im Alltag kann da helfen.

Weil die Wörter fehlen, stelle ich mir zu Dekorationszwecken ein paar Neurosen in die Vase. Die alten sind verwelkt.

„Schöne Blumen“, sagt die Situation. „Welche Sorte?“
„Das sind nur ein paar Desaströslein“, sage ich. „Die Glamouröslein waren ausverkauft.“
„Hübsch“, sagt die Situation und senkt den Blick. „Darf ich offen zu dir sein?“
„Klar“, sage ich verdutzt.
„Ich bin desolatent müde von allem. Alle schreien nur noch, niemand nimmt Rücksicht auf die Umstände, auf mich.“
„Hm“, sage ich.

Weil die Wörter fehlen, und weil die Arme Herz genug sind, umarme ich die Situation und führe sie sanft zum Sofa. Wir sitzen eine Weile und sehen schweigend aus dem Fenster. Ein Tiefdruckgebiet befördert feuchte Luftmassen vom Atlantik nach Mitteleuropa. In der Folge kommt es zu Schauern und Gewittern.

Die Zeit verstreicht, irgendwann ist es Viertel nach Tageslicht.

Wir halten Händchen und hören auf. Wir hören einfach auf. Wenn man aufhört, hat das Warten ein Ende. Wir nehmen uns wieder in den Arm. Wir versuchen gar nicht, unser Unterbewusstsein zu erreichen. Es läuft eh immer davon, wenn man sich ihm nähert.

„Wirklich schöne Blumen“, flüstert die Situation und schläft ein.

Tagesziel

Für heute war mein Tagesziel:
kein mentales Tschernobyl.
Und auch kein Seelen-Fukushima.
Leider klappte das nicht prima.
Alles wird gut, fantastisch und schön.
Die Frage ist nur: wann und für wen?

Firlefanz

Ich sitze hier im Firlefanz,
mit Zweifeln im Gemüt.
Ich ziehe täglich neu Bilanz,
was knospt und was verblüht.
Und abends dann ein Hoffnungstanz,
der Endorphin versprüht.
Der Tag sagt „Ciao“ mit mattem Glanz,
er hat sich stets bemüht.

Gegenwartsdichte

„Mal sehen, was wir diesmal erwischen“, raunte die Gegenwart und langte mit dicken Pranken in die Wolke des Möglichen. Sie zog eine kleine Situation hervor, kaum größer als ein paar Sekunden, betrachtete sie gierig und stopfte sie sich in den Mund. „Heute wirst du den Gedanken ein schönes Erlebnis sein“, hörte man die Gegenwart noch schmatzen, als bereits die ersten Bauchschmerzen zur Party drängten.

Irritiere

Hinter den perplexen Zuständen liegt der Rand der Fassungslosigkeit. Dort entsetzte ich mich auf ein Bänkchen, verdatterte die Zeit und fütterte die Irritiere, die um diese Zeit schon aus dem Häuschen waren. Als es Nacht wurde, erstarrte ich in den konsternierten Himmel. Dann bestürzte ich mich in die Tiefe. Als ich unten ankam, war ich platt. Alles verwirrt schon wieder gut.

Für einen Moment

Trinken wir auf die Zukunft. Auf Dich. Auf mich. Auf alle, die gute Besserung wollen. Das Glas gestrichen voll wie die Schnauze. Ignorieren wir die unruhige Gegenwart und lassen den Kopf einfach nur Gesicht sein. Vergessen wir die Seufzer, die uns begleiten, so lang und tief wie Monate. Schluss mit dem nebligen Herumrealitäten. Wagen wir eine Expedition zum Ruhepol und tragen die Hoffnung als Warnweste. Gehen wir einen Schritt voran, auch wenn die Beweggründe unklar sind. Gehen wir mit der Zeit, die uns bleibt, und fragen regelmäßig nach Sonnenschein. Für einen kurzen Moment, zum Wohl.

In Grenzen

Den nackten Tatsachen ist kalt. Zittrig krabbeln sie über den Boden. Mit ihren dünnen Ärmchen sammeln sie belastendes Material. Du legst dich zu ihnen, die Realität gewinnt immer.

Du hälst dich in Grenzen. Es ist unbequem. Manchmal liegst du falsch, und manchmal irrst du dich einfach nicht gründlich genug. Die Welt bewirft dich mit Ereignissen, und du schickst ein dürres Nein in die bleiche Unbenanntheit der Tage. Die Stimmung ist recht vage.

Du hälst dich in Grenzen, durchwanderst die beschädigten Stellen der Hoffnung, kollabierst durch fragwürdige Situationen im Kopf und fragst dich, ob du vielleicht sogar hier wohnst und nicht nur auf der Durchreise bist. Du verlierst Worte wie Richtung. Wie war noch mal der Weg ins Innere der Geduld?

Du hälst dich in Grenzen. Die Wirklichkeit streikt, aber das ändert nichts an den Tatsachen. Und da liegst du nun, südlich der klaren Gedanken, ungefähr hundert Wunder vom Allesistgut entfernt. Du weißt, wie groß die Zukunft ist, wie wandelbar der Zweifel. Zweihundert Wunden später blickst du müde auf die Umstände und übst dich in Bemerkungen.

Komm, lass uns etwas Irreales in die Welt bauen. Es werden uns noch viele gute Dinge bevorstehen. Bis dahin aber erhärten sich die Kopfschmerzen vom ganzen Aushalten.

Glücksmomente

Es ist wieder ein Tag, irgendeine Woche. Der Monat: egal. Statt Jahreszeiten gibt es Wellen. Der Realitätssinn blubbert spröde durch die Wahrnehmung. Menschen wabern, die Welt bewirft dich mit Ereignissen. In der Ferne fliegt ein Luftballon und unterstreicht die raren Glücksmomente sozialer Wirklichkeit. Vereinzelt segeln Blätter von den Bäumen. Vor der Apotheke stehen Menschen Schlange, um sich mit Definitionsmittel einzudecken. Auf dass alles bald wieder eine Bedeutung bekommen möge.

Das Erreichbare

Die Wirklichkeit ist porös,
seltsam sind die Verhältnisse.
Auf der Nordseite der Gewohnheit
tropfen lange Schatten
in die zerfurchten Monate.
Es ist noch viel Geheimnis um das Erreichbare.

In den Flusen des Alltags
spielen die Milben der Erkenntnis
einen feschen Schallundrauchtango.
Geduldsfäden verheddern sich
im Labyrinth der Umstände.
Ambitionen spielen Verstecken.
Es ist noch viel Geheimnis um das Erreichbare.

Mit jedem Blick in den Spiegel
kommt man sich verändert vor.
Die Hände greifen ins Gesicht
und bewegen sich darin,
als würden sie es immer noch suchen.
Der Körper umrahmt von Weltgeschehen.
Es ist noch viel Geheimnis um das Erreichbare.

Stimme

Es ist unbequem in dieser unübersichtlichen Landschaft am Rande der Orientierung. Die klare Vorstellung zieht müde als nostalgischer Nebel vorbei. Nirgends ein Glanz, nirgends ein Gedanke, der anmutig durch den unbekannten Teil der Hoffnung hopst. Während du dich gefasst machst, möchte ein Teil von dir der allgemeinen Verkorksung die flache Hand an die Stirn nageln. Der Kopf ist nur zum Schütteln da. Wenn es hochkommt – und manchmal kommt es einem hoch – reichen zehn Stimmen für die eigene nicht aus.

Belanglos

Unter den goldenen Triumphbögen der Müdigkeit marschiert der Alltag. Menschen führen ihre Lappalien Gassi, sind oder werden, wachsen oder sinken mit ihren Ansprüchen. Umsätze werden gemacht oder nicht. In den Köpfen und Regalen stapeln sich Dinge. Hin und wieder gähnt dort die Leere. Männer oder Frauen sondern sich oder etwas ab und wischen wichtig über das Glas ihrer Invergessenheitgeräte. Die Bäume winken dem Geschehen blättrig hinterher. Stille ist nirgends zu hören. Der Asphalt tut belanglos.